Erkenntnistheorie - Ein kurzer Überblick
Dieses Essay soll einen kurzen Einblick in die Erkenntnistheorie geben, deren Aufgabe aus drei Hauptbereichen besteht:
- Die Klärung grundlegender Begriffe wie Erkenntnis und Wissen.
- Der Untersuchung wie Erkenntnis – und damit Wissen – erworben, verarbeitet und verstanden wird.
- Der Frage nach der (Un)abhängigkeit des Objekts vom Subjekt, also wie wir die Welt wahrnehmen.
1. Die Begriffe
In der Philosophie ist es wichtig präzise zu formulieren, deshalb muss zunächst geklärt werden, welcher Art von Wissen und Erkenntnis hier besprochen wird.
Erkenntnis kann sowohl den Vorgang des Einsehens (Erkenntnisakt) bezeichnen als auch das Resultat dessen (Erkenntnisresultat). Im allgemeine Sprachgebrauch ist die Verwendung der Erkenntnis als Erkenntnisresultat üblicher, es bezeichnet allgemeines Wissen, wie die Einsicht: “dass zu viel Zucker ungesund ist” oder eine gerichtliche Entscheidung und in der Wissenschaft ein Forschungsergebnis. Im Gegensatz dazu ist der Erkenntnisakt der Vorgang um zum Erkenntnisresultat zu gelangen. Dieser steht in der Erkenntnistheorie im Vordergrund, denn es soll herausgefunden werden, wie es möglich ist zu Erkenntnisresultaten zu gelangen.
Wissen ist die innerlich abgespeichert Form von Erkenntnisresultaten. Es bezeichnet jedoch nicht allein die subjektive Überzeugung, sondern ebenfalls dessen Objektive Begründbarkeit. Wissen ist, eine für wahr gehaltene, gesicherte und jederzeit abrufbare Erkenntnis, die durch Überzeugung und Rechtfertigung gestützt ist.
2. Wie entsteht Erkenntnis und was kann sie leisten?
Supernaturalismus
Mit dem glauben an einen christlichen Gott lässt sich die Frage einfach beantworten: Gott gab sie uns in der Offenbarung. Diese Position nennt man Supernaturalismus, sie schließt ebenfalls andere okkulte und übersinnliche arten der Erkenntnis ein wie Wahrsagen oder Astrologie.
Die beiden ernst zu nehmenden möglichen Quellen der Erkenntnis sind der Empirismus und der Rationalismus. Obwohl die beiden Gegenpole der Erkenntnis bilden, schließen sie sich nicht gegenseitig aus, sondern sehen sich jeweils als Hauptakteur beim Erlangen der Erkenntnis, während die andere eine untergeordnete (selten keine) Rolle spielt.
Rationalismus
Dem Rationalismus kann vom Namen abgeleitet werden worum es geht: Ratio, lt. Nachdenken / Verstand. Laut ihm entspringt der Hauptteil (in manchen Formen der komplette Teil) der Erkenntnis aus der Vernunft bzw. dem Verstand. Die Sinne liefern Informationen, die der Verstand verarbeitet, mit Werkzeug welches ihm a priori zur Verfügung steht und er so Erkenntnisse erlangt. Platons bekannte Ideenlehre ist Rationalistisch, denn Platon legt uns, noch vor der Geburt durch das Betrachten von Urbildern, fertige Ideen in den Kopf, die wir dann beim Betrachten der Welt Wiederkennen und damit zu einer Erkenntnis gelangen. Descartes bringt es mit seiner berühmten Formel Cogito ergo sum [1]: „Ich denke, also bin ich“, auf den Punkt. Keinerlei (vor)-Erfahrung ist notwendig um zu dieser Kenntnis zu gelangen.
Empirismus
Der Empirismus ist die Erkenntnis durch Erfahrung. In der strikten Version, dem neuzeitlichem Empirismus, wie er vertreten wird von John Locke, David Hume und George Berkeley, wird alle Erkenntnis außer die durch die Sinne abgelehnt, der Mensch beginnt, wie sie meinen tabula rasa. Bei Aristoteles ist der Mensch ebenfalls eine “Schreibtafel, auf der noch nichts wirklich geschrieben steht” [2]. Demnach beginnt die Vernunft leer und baut mit der Zeit, durch Erfahrung und speichern dieser Erfahrung Wissen auf. Es gibt Wissen, was der Mensch a priori besitzt, die sogenannten “Prinzipien” die nicht aus der Erfahrung gewonnen werden können, allerdings nur solche, die Intuitiv verstanden werden können, z.B. Mathematische Axiome oder das Kausalitätsprinzip. Die modernste Form des Empirismus ist der logische Empirismus: Er ähnelt der Erkenntnistheorie von Aristoteles und geht davon aus, dass der Mensch durch die Kombination von empirischer Erfahrung und logischer Analyse zu Erkenntnis gelangt. Lediglich solche Aussagen gelten als sinnvoll, die sich entweder direkt durch die Sinne erfahren oder durch logische Überlegungen erschließen lassen. Anders als bei Aristoteles spielt die Metaphysik dabei aber keine Rolle.
3. Gibt es die Welt und wenn ja wie nehmen wir sie wahr?
Wir sehen die Welt mit unseren Augen, aber sehen wir die Welt denn wie sie wirklich ist?
Solipsismus
Der Solipsismus behauptet, dass es keine Welt gibt, sondern allein dich, der gerade das hier liest und der die Welt in deinem Kopf konstruierst.
Idealismus
Der Idealismus geht davon aus, dass wir die Welt nicht sehen wie sie wirklich ist, denn jede Erkenntnis geht durch unsere Augen und unseren Verstand. Für mich und dich kann ein Apfel anders aussehen, je nachdem wie unsere Augen mit unserem Gehirn zusammenarbeiten und diese den Apfel Interpretieren. Wie sieht der Apfel in Realität aus? Strenger noch denkt hier der subjektive Idealismus, er stellt infrage, ob es überhaupt eine materielle Außenwelt gibt, die wir uns, anders als im Solipsismus, teilen. Platons Ideenlehre, über die wir bereits gesprochen haben, ist ein metaphysischer Idealismus, denn wir nehmen nicht die Welt wahr wie sie ist, wir erkennen lediglich unperfekte Ideen der Urbilder. In Kants transzendentalem Idealismus sind Raum und Zeit keine objektive Eigenschaften der Welt, sondern Formen unseres Bewusstseins durch die wir die Welt erst erfahren können. Und zuletzt in Hegels absolutem Idealismus ist die Realität der Ausdruck eines absoluten Geistes, der sich in der Geschichte und im menschlichen Bewusstsein verwirklicht.
Realismus
Der kritische Realismus behauptet, dass wir den Apfel sehen wie er wirklich ist, ist sich aber im Klaren, dass es subjektive Unterschiede in der Wahrnehmung geben kann, z.B. durch Farbenblindheit. Wir können uns der objektiven Realität mit unseren Sinnen lediglich annähern, sie aber nie vollumfänglich begreifen. Eine überholte Form dessen ist der naive Realismus, der davon ausgeht, dass die Welt genau so ist wie wir sie wahrnehmen ohne das Subjekt in Betracht zu ziehen.
Fazit
Die Erkenntnistheorie ist eine spannende Disziplin der Philosophie, an der sich viele Denker seit der Antike versucht haben. Definitive antworten gibt es bis heute nicht.
[1] René Descartes, 2. Meditation, Absatz 3, S. 45.
[2] Aristoteles, De anima (an) III 5, 429 b31 - 430 a2.